Warum wir immer noch wie Kinder streiten.
Ob nun gerade volljährig geworden oder bereits im Rentenalter, wenn es um Konflikte geht, handeln viele von uns noch immer wie kleine Kinder. Und das hat einen mega guten Grund. Jeder von uns hat schmerzliche Erfahrungen in jungen Jahren gemacht. Um diese nicht immer wieder spüren zu müssen, werden sie in unserem inneren Kind abgespeichert und tagtäglich von uns verdrängt. Sofern wir sie uns nicht bereitwillig und mutig anschauen. Ob du zum Team Attacke, Harmoniesucht, Gesprächsverweigerung oder unterdrücken eigener Gefühle gehörst, hängt ebenfalls mit deiner Kindheit zusammen. Und mit deinen Rollenvorbildern. Alias Mama und Papa. Um nicht weiterhin in sinnlose Streitereien zu verfallen oder Angst vor einem Konflikt zu haben, braucht es die Auseinandersetzung mit deinem Mini-Me.
Reagierst du manchmal über?
Kennst du Situationen, in den du ziemlich stark auf dein Gegenüber reagierst? Stark genervt, stark wütend, stark kontrolliert, stark traurig etc. Vermutlich schon, oder? Come on, ganz sicher sogar. Du begegnest einer (objektiv) wenig schlimmen Situation und reagierst unverhältnismäßig wütend, traurig, freudig oder ängstlich. In den meisten Fällen kommt hier nicht dein super erwachsener Anteil zum Vorschein, sondern dein inneres Kind.
Gefangen in den eigenen Mustern
Stell dir vor, du bittest deinen Partner oder deine Partnerin darum, beim Einkaufen an deine Oreo-Kekse zu denken. Dein Herzensmensch kommt wieder und hat alles dabei. Nur nicht deine Oreos. Dein erster Gedanke: “Man ey, ich wollte doch nur diese eine Sache und du vergisst sie.” Manche Menschen äußern ihren Unmut dann, indem sie ihr Gegenüber recht energisch mit einem Vorwurf konfrontieren (Attacke). Oder sie ziehen sich genervt zurück (Flucht) und verweigern das Gespräch bzw. den Dialog (Mauern).
Verschiedene Schutzstrategien für verschiedene Menschen
Oder sie packen ihre Gefühle in den Keller und tun so als wären sie nicht enttäuscht, obwohl sie es sind (Unterdrückung). Sie könnten die eigene Verletzung übergehen, um den guten Vibe hochzuhalten (Harmoniesucht) oder mit Reframing sich selbst schön reden, dass der Partner das ja aus guten Gründen gemacht hat (Idealisieren), weil man ja sowieso abnehmen wollte. Was haben diese verschiedenen Reaktionen allesamt gemeinsam?
Die schmerzlichen Erfahrungen des inneren Kindes
Ihnen liegt ein Glaubenssatz zugrunde. Im eigenen Oberstübchen wird der Gedanke: “Ich bin nicht wichtig.” aktiv und super laut. Menno, all diese negativen Gefühle nur wegen der Oreos, oder? Eben nicht. Die Wahrheit ist, dass auch hier das innere Kind die Bühne betritt. Was ist denn nun aber das innere Kind? Es umfasst alle im Gehirn abgespeicherten Gefühle, Erinnerungen und Erfahrungen aus der eigenen Kindheit. Insbesondere das Spektrum intensiv erlebter Gefühle wie große Freude, aber auch bitterer Schmerz.
Bagatellisiere deine Kindheit nicht
Im Rahmen von Psychotherapie & Co. wird die Arbeit mit dem inneren Kind eingesetzt, um eine Ich-Spaltung zwischen dem reflektierenden Erwachsenen und dem erlebenden inneren Kind zu erreichen. Klar, wir alle haben in unserer Kindheit schmerzliche Erfahrungen gesammelt. Das muss nicht gleich einen körperlichen Missbrauch bedeuten. Du kennst das Bild eines trotzenden Kindes am Boden des Supermarktes? Das passiert, wenn das Schoko-Ei nicht mit durfte. Stell dir vor, was das Kind fühlt, wenn es im Hort vergessen, als Baby schreien gelassen wurde oder sich nicht ausreichend mitteilen durfte, weil die Eltern zu viel um die Ohren hatten.
Die Liebe unserer Eltern ist nicht ersetzbar
Vielleicht ziehst du gerade die Augenbraue nach oben, weil sich das für dich nach Pillepalle anhört. Schlimmer geht ja immer, richtig? Joar. Das heißt aber nicht, dass schmerzliche Erfahrungen an dir vorbeiziehen, nur weil es anderen schlechter ging. In unserem kindlichen Dasein zählt nämlich besonders eine Sache für uns. Wir wollen die Liebe unserer Eltern. Dementsprechend entsteht ein inneres Drama, wenn wir um diese Liebe fürchten müssen.
Schwierige Erfahrungen verschwinden nicht einfach
Unsere Systeme und unser Gehirn sind mega smart, da sie jegliche schmerzlichen Erfahrungen abspalten, um sie nicht immer wieder fühlen zu müssen. Diese Gefühle verpuffen aber nicht einfach. Sie werden im inneren Kind verpackt und nicht weiter angeschaut. Sie quellen immer mal wieder auf. Die meisten Menschen schauen diese Quelle dann aber nicht an, sondern sie befördern sie in die Tiefen ihres Ozeans. Smart und bescheuert zu gleich. Warum?
Team Bindung oder Team Autonomie?
Kommen wir zurück zu den vergessenen Keksen. Eine unverarbeitete Wunde wird plötzlich aufgedeckt und das tut weh. Also braucht es eine Strategie, um damit klarzukommen. Je nachdem, ob dein Ziel auf Bindung oder Autonomie bestrebt ist, greifst du auf ein entsprechendes Verhalten zurück. Diese Strategien entspringen, surprise, deiner Kindheit. Denn sie hängen sehr stark mit deinen Erfahrungen und dem Verhalten deiner Rollenvorbilder, klassischerweise Mama und Papa, zusammen.
Vereinnahmung ist nicht besser als Vernachlässigung
Vielleicht hattest du eine Mutter, die sehr bedürftig war. Fast schon gluckenhaft. Sie hat dich für ihre Bedürfnisse vereinnahmt und du hattest keinerlei Space für Selbstwerdung und Freiheit. Als erwachsener Mensch möchtest du nie wieder in so eine Situation kommen und bist daher stets auf Autonomie bedacht (1). Oder deine Eltern hatten super viel zu tun und konnten dein Bedürfnis nach Verbindung nie stillen. Weshalb du bis heute deine Mitmenschen, vor allem deinen Partner bzw. deine Partnerin idealisierst aus Angst verlassen zu werden (2).
Entdecke deine Strategien zur Schmerzverarbeitung
Als auf Autonomie bestrebter Mensch reagierst du auf die vergessenen Kekse vermutlich mit Attacke oder Flucht (1). In dir kommt die Vermutung auf, dass dein Gegenüber NIE deine Wünsche respektiert und dich einfach übergeht. Geht es dir um Bindung (2) verbannst du deine miesen Gefühle in den Keller und kommunizierst, dass die vergessenen Probleme GAR kein Problem wären. Obwohl sie es sind. Deine Strategie zielt auf die Unterdrückung deiner Gefühle ab, mit dem Ziel die Harmonie aufrechtzuerhalten. Zwei Menschen, eine Situation. Zwei Strategien, zwei verschiedene Verhaltensweisen, zwei dicke Probleme.
Dein inneres Kind bestimmt dein Konfliktverhalten
Du siehst also, dass dein Konfliktverhalten extrem stark mit deinem inneren Kind zusammenhängt. Es ging nie um die Oreos, sondern um die Bestätigung der eigenen Glaubenssätze durch die vergessenen Kekse. Übrigens reden wir hier bisher ausschließlich über die verletzten Anteile deines inneren Kindes. Autorinnen wie Stefanie Stahl fügen diese Anteile im Begriff des Schattenkindes zusammen. Das Ziel des inneren Kindes ist es Ablehnung und Einsamkeit zu vermeiden. Diese Angst projizieren wir bis ins hohe Alter auf unsere Mitmenschen und unterstellen ihnen unsere eigenen Ängste.
Nach der Bewusstwerdung kommt die Heilung
Cool. Und jetzt? Was kannst du tun, um aus diesen Mustern rauszukommen? Du bist bereits mittendrin. Eine verdammt gute Nachricht, oder? Du befindest dich im ersten Schritt, der Bewusstwerdung und Auseinandersetzung. Das ist klasse. Aber um nicht im Wissen zu verharren, braucht es Heilung. Und Heilung ergibt sich nur durch Anwendung und Umsetzung. Es braucht die Wiederherstellung der Balance aus Verbindung und Freiheit.
Die perfekte Balance aus Verbindung und Freiheit
Ordnest du dich besonders zu den bindungsorientierten Strategien, rate ich dir in die Eigenverantwortung zu kommen. Nimm dich wichtig, spür in dich hinein. Lerne wieder “Nein” zu sagen und übe dich im Diskutieren und Abgrenzen. Bist du stark in der Autonomie unterwegs, empfehle ich dir immer mal wieder ins Vertrauen zu gehen. Lass dir auch mal helfen. Du musst nicht alles können. Übe dich in Empathie und trau dich, wieder “Ja” zu sagen.
Konflikte ohne Drama
Du möchtest hier noch tiefer reingehen und mit ein bisschen Schützenhilfe in die Umsetzung kommen? Dann empfehle ich dir meinen einstündigen Workshop “Konflikte ohne Drama”, der dir dabei hilft in Lösungen zu denken, deinem inneren Kind liebevoll zu begegnen und mit konkreten Tools weder in Konfliktscheu noch ein wildes Wortgefecht zu rutschen. Oder du kommst in mein 10-wöchiges Mentoring, wo ich mich voll und ganz auf dich konzentriere und wir dafür sorgen, dass du wieder bzw. endlich in dein Authentic Self kommst.
Es braucht Vergebung und Selbstliebe
Kommen wir zum letzten und wahrscheinlich wichtigsten Tipp im Umgang mit dem inneren Kind. Du wirst feststellen, dass du dich manchmal wie ein Arschloch verhalten hast und es bis heute tust. Sei großherzig mit dir. Du bist kein Roboter, nur ein Mensch. Lass den selbst beschuldigenden Bullshit-Talk mit dir sein. Stell dir stattdessen vor, was dein kulleräugiges vierjähriges Ich von dir gebrauchen könnte. Vermutlich eine Umarmung statt harter Worte. Einmal tiefer geblickt, wird es immer spannender. Kurzzeitig mal hart und langfristig so viel leichter. Ganz viel Schaffenskraft, Mut und Humor auf diesem Weg.
Love,
Nastasja
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